»Tierchen unlimited« – typische Migrationsliteratur? Nein, Punk!

Ein Werkstattgespräch mit Autor Tijan Sila und Lektor Olaf Petersenn

Im Februar 2017 erschien Tijan Silas turbulenter Debütroman »Tierchen unlimited«. Er erzählt von einem Jungen im bosnischen Bürgerkrieg und seiner Flucht nach Deutschland. Typische Migrationsliteratur? Nein, Punk! Denn Sila hat sein Debüt jenseits aller Klischees geschrieben. Das konstatierte zumindest die TAZ: »Tijan Silas Roman hat wenig mit Migrantenliteratur , aber viel mit Punk zu tun.«

Sarajevo in den Neunzigern: Die Kinder verlassen kaum ihre Wohnblocks, das Comictauschen wird durch Heckenschützen erschwert. Wenn kein Stromausfall ist, spielen sie Ballerspiele am Computer, draußen hagelt es Granaten. Sie führen Fehden mit Kindern aus anderen Blocks, klauen Obst, baden unterernährt im Fluss, zünden Müllberge an und überreden amerikanische Soldaten mit gestohlenen Sex-Heftchen zum Basketballspielen – ein Leben voller Aufregung, niemals langweilig.
Doch zum Entsetzen des jungen Ich-Erzählers machen seine Eltern abrupt damit Schluss, als sie es nicht mehr aushalten und mit ihm nach Deutschland fliehen.
In Rheinland-Pfalz soll er stattfinden, der hoffnungsvolle Neubeginn, und wird zunächst zur  Groteske: Die neuen Freunde sind Neonazis oder wollen zur Polizei, oder beides. Seine Schulfreundin Melanie geht zum Verfassungsschutz. Er selbst bringt mit Einbrüchen mehr Pepp in sein Studium. Und scheint bald unter Melanies Beobachtung zu stehen. Auch Sarah, mit der er zusammen Gewichte stemmte und erste erotische Erfahrungen sammelte, begegnet ihm als Polizistin wieder.
Als der Neonazi-Bruder seiner Freundin ihn nachts aus deren Bett prügelt, und er nackt und blutend auf einem Rennrad fliehen muss, nimmt Sarah für ihn Rache. Und weckt damit tückische Erinnerungen.

Sila erzählt hart, klug, wild und genau und so unheimlich selbstironisch davon, dass es lustig wird. Und sein Ich-Erzähler? Irreparabel unglücklich und extrem gut gelaunt.

Tijan Sila und sein Lektor Olaf Petersenn berichten von der gemeinsamen Arbeit an diesem bedrückenden und zugleich irre witzigen Text. Wie hat der Autor überhaupt den Weg zu Kiepenheuer & Witsch gefunden? Und wie zum Schreiben an sich? Wo sind die Verbindungen zu Tijans Biografie? Warum wimmelt es im Buch von Neonazis? Und wieso sind Bosnier »ideale Immigranten«?

Tijan Sila kam 1981 in Sarajevo zur Welt und emigrierte 1994 mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg. Heute lebt er in Kaiserslautern, wo er als Lehrer an einer Berufsschule arbeitet. »Tierchen unlimited« ist sein erster Roman.

Olaf Petersenn

Olaf Petersenn

© Melanie Grande

Olaf Petersenn ist Lektoratsleiter für Deutschsprachige Literatur beim Verlag Kiepenheuer & Witsch.

LIVE AUF DER LBC17

»Tierchen unlimited« – ein Werkstattgespräch

mit Tijan Sila und Olaf Petersenn

Wann?
14:00 – 14:40 Uhr

Wo?
Raum Cotton, 5. Etage

max. 50 Teilnehmer

Zum Timetable (PDF)