Wonach riecht Murakami?

Ursula Gräfe und Annette Weber im Gespräch

»Ja, das Erste, was man sagen kann, wenn es die japanischen Namen und den japanischen Autor nicht gäbe, müsste man nicht zwangsläufig wissen, dass es ein japanischer Roman ist.« Hellmuth Karasek, Das literarische Quartett, Sendung vom 30. Juni 2000

Von der japanischen Literaturkritik wird Haruki Murakami bisweilen unterstellt, er schreibe »batakusai«, nach »Butter« – sprich westlichem Ausland – riechend. Oder ist er gar »geruchlos«, wie eine deutsche Japanologin es formulierte? Immerhin ist Murakami Japaner und schreibt auf Japanisch. Seine Romane spielen in Japan, und die Charaktere sind ebenfalls Japaner. Wie kommt es also zu solchen Aussagen und Widersprüchen?

Im Jahr 2000 führte Murakamis auf Deutsch unter dem Titel »Gefährliche Geliebte« erschienener Roman zu einem regelrechten Medienskandal. Die Diskutanten der Sendung »Das Literarische Quartett« sprachen von »literarischem Fastfood« einerseits und »ungewöhnlicher Zartheit« andererseits. Auch hier verblüffende Widersprüche und Uneinigkeit. Polarisierte der Roman womöglich so stark, weil er – wie sich herausstellte – nicht aus dem japanischen Original, sondern aus dem Amerikanischen übertragen worden war?

13 Jahre später ist Ursula Gräfe mit »Südlich der Grenze, westlich der Sonne« eine Neuübersetzung von »Gefährliche Geliebte« aus dem Japanischen gelungen, die einem Roman, den wir bereits zu kennen glaubten, ein ganz neues Aroma verleiht.

Doch warum klingt ein Text, der zunächst aus dem Amerikanischen übertragen wurde, in der Neuübersetzung so anders? Was kann eine literarische Übersetzung überhaupt leisten und was nicht?

Annette Weber, Lektorin Murakamis bei seinem deutschen Verlag DuMont, und Ursula Gräfe, seine Übersetzerin, im Gespräch über Freiheiten, Grenzen und synästhetisches Potenzial des literarischen Übersetzens.

Ursula Gräfe

Ursula Gräfe

© Ursula Gräfe

Ursula Gräfe (*1956) ist eine deutsche Autorin und literarische Übersetzerin. Gräfe hat an der Universität Frankfurt Japanologie, Anglistik und Amerikanistik studiert. Seit 1988 arbeitet sie hauptberuflich als Übersetzerin literarischer Werke vor allem aus dem Japanischen sowie aus dem Englischen und Amerikanischen. 2004 erhielt sie zusammen mit Kimiko Nakayama-Ziegler den Übersetzerpreis der Japan Foundation für den Erzählband »Schwimmbad im Regen« der Autorin Yōko Ogawa.

Annette Weber

Annette Weber

© Hoffotografen

Annette Weber arbeitete nach Studium und Volontariat in den USA bei Farrar, Straus & Giroux und Chandler Crawford. Es folgten mehrere Jahre im S. Fischer Verlag, zunächst als Assistentin des Cheflektorats, dann als Lektorin. Im Anschluss ging sie zu Droemer Knaur nach München, wo sie ab 2001 Programmleiterin für das belletristische Hardcover-Programm von Droemer war. 2015 übernahm sie die Programmleitung Belletristik beim DuMont Buchverlag. Annette Weber entdeckte unter anderem Zadie Smith und Dave Eggers für den deutschen Markt und betreute Autoren wie Friedrich Ani, Kate Atkinson und Linn Ullmann.

LIVE AUF DER LBC16

Wonach riecht Murakami?

mit Ursula Gräfe und Annette Weber

Wann?
14:00 – 15:00 Uhr

Wo?
Raum Silvia, 5. Etage,
max. 20 Teilnehmer

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