Kleine Verlagskunde (ABC)

Mit der kleinen Verlagskunde möchten wir Euch anhand von manchmal seltsam klingendem Fachvokabular das Buchwesen und die Verlagsarbeit näher bringen.
Beim Erstellen dieser Westentaschen-Enzyklopädie hat sich der Autor (meist bereits bei erster Gelegenheit) am Stilmittel des Kalauers bedient. Manchmal ist er damit den Grenzen des guten Geschmacks empfindlich nahe gekommen. Tut ihm leid.

 

Außendienst
„Ich versuche Buchhändlerinnen davon zu überzeugen, daß sie möglichst viele Exemplare der neuen Bücher bestellen, die in den Verlagen erscheinen, die ich vertrete.
Und das machst du das ganze Jahr?
Eigentlich gibt es zwei große Reisen, früher war das jedenfalls so. Das hat damit zu tun, daß die Verlage zweimal im Jahr neue Bücher herausbrachten, im Frühjahr zur Messe in Leipzig und im Herbst für Frankfurt.
Zur Buchmesse?
Genau. Und vorher reisen die Vertreter, also von Januar bis etwa April und dann wieder von Juni bis September. Aber das ändert sich gerade. Die meisten Verlage liefern ihre neuen Bücher inzwischen monatlich aus.“ („Die Liebe der Väter“, Thomas Hettche)
So beginnt der Vater in Thomas Hettches sehr empfehlenswerten Buch „Die Liebe der Väter“ seiner Tochter die Vertreterarbeit zu erklären. „Die Liebe der Väter“ war übrigens der erste deutsche Roman, der einen Verlagsvertreter zum Protagonisten hatte. Und wer wissen möchte, wie ein Vertreter die Buchhändler überzeugt, dem sei der schöne „Reisebericht“ meiner Kollegin Mona Lang empfohlen: „Dem kann man zu hundert Prozent vertrauen, der dreht uns keinen Blödsinn an!“

 

Barsortiment
Ein Shaker, leere Gin-Flaschen, Limetten, Bierdeckel, die Eiswürfelmaschine. Was hier alles rumfliegt! Die Jungs vom Barsortiment haben gestern gefeiert. Heute brummt der Schädel beim Bestellungen annehmen und ausliefern. Denn ein Barsortiment ist:
„Ein Buchhändlerischer Großhandel, der auf eigene Rechnung Bücher einkauft und an den Buchhandel weiterverkauft. In Deutschland gibt es vier Barsortimente, drei davon sind überregional aktiv. Die Barsortimente haben zwischen 350.000 und 400.000 Titeln am Lager.“ Weiterlesen auf Börsenblatt.de.

Cliffhanger
»Ein Cliffhanger steht für den offenen Ausgang eines Kapitels auf seinem Höhepunkt«, schlug ich bei Wikipedia nach. Ich verweilte noch ein wenig auf den spannenden Seiten der Online-Enzyklopädie und klickte aus reiner Abenteuerlust auf „zufälligen Artikel anzeigen“. Was ich dann zu sehen bekam, war …

Content
heiß begehrtes, aber nicht immer leicht zu generierendes Element bei der Erstellung von Büchern und Blogs und anderen Contentträgern. Siehe auch → Inhalt

Durchschuss
Salopp ausgedrückt, jemanden mit Blei vollplumpen ist nie besonders schön. Auch nicht, wenn es glatte Durchschüsse sind. In der Buchherstellung hingegen kann / konnte man mit Blei auch ganz fabelhafte Dinge anstellen:

»Im Bleisatz waren die Regletten diejenigen schmalen Bleistücke (Blindmaterial), mit denen die Zwischenräume zwischen den Zeilen hergestellt wurden. Die Regletten konnten als ein Teil zwischen die Lettern geschossen werden. Durchschuss kennzeichnete also den Abstand von Bleiletterunterkante zu Bleiletteroberkante der darunter angeordneten Zeile.« (Quelle: Wikipedia)
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E-Book
Markteinführung: 1988. Vorgänger: Buch. Den Vorgänger gibt es schönerweise immer noch. In den USA soll die Unterscheidung von „p-Book“ und „e-Book“ geläufig sein. Hierzulande sind E-Books, trotz ständig steigender Verbreitung auf E-Readern und Tablets und Smartphones, irgendwie keine so richtigen Bücher: mit dem Download erwirbt der Leser/Käufer kein Eigentum, sondern nur die Lizenz zum Lesen. E-Books gelten daher eher als Dienstleistung, statt als „Kulturgut“, sie haben einen eigenen Mehrwertsteuersatz.
Wenn sie mitsamt Lesegerät ins Badewannenwasser fallen, kann man sie nicht zum Trocknen aufhängen. Aber, zum Beispiel, hundert von ihnen mit in den Urlaub zu nehmen ist so schön leicht und praktisch.

 

 

Fester Freier
Nee, das mache ich nicht. Versprochen. Ich werde nicht über den Begriff „Freier“ kalauern und etwa Zoten reißen. Wie tief soll das Niveau denn sinken? Entweder sachlich informieren oder blöd witzeln, man muss sich schon entscheiden. Hihi, ich hab Scheide gesagt!

Ein fester Freier ist ein selbstständig tätiger, nicht angestellter Mitarbeiter, der regelmäßig von einem Unternehmen beauftragt wird. Bspw. Grafiker für die Covergestaltung, Korrektoren, Übersetzer …

 

 

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Hurenkind
Ein beliebter Kosename in bestimmten Kreisen. Ein ungeliebtes Erzeugnis aus der Setzerei.
Denn: »Das Hurenkind ist eine einzelne Zeile eines Absatzes, die auf einer neuen Seite steht, während alle anderen Zeilen noch auf der vorherigen Seite stehen.« Nicht schön.

Bild: Unten links ein Schusterjunge, oben rechts ein Hurenkind
Rainer Zenz , Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Links: Schusterjunge / Rechts: Hurenkind

Inhalt
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Jungfrau
Wie stellt sich ein Korrektor das Paradies vor? Er träumt von Jungfrauen. 20, 30, 40, 72 Jungfrauen. Auf, sagen wir mal, 320 Seiten. Das wär’s! Aber das wird nie passieren, zumindest nicht, solange er auf Erden weilt. Alle, die schreiben, machen Feler.
Eine fehlerfreie Seite („Jungfrau“) kann schon mal auftauchen, aber kein komplett fehlerfrei Text. Das ist unmöglich und wird deshalb auch „Jungfrauenwunder“ genannt.

 

 

Kampfpreis
Im Hause Kiepenheuer und Witsch gab es mal einen Vertriebsleiter, der diese Wort sehr oft in den Mund genommen hat. Vielleicht hatte er dieses Wort sogar erfunden, wundern täte es uns nicht.
Ein Kampfpreis entsteht zum Beispiel so:
Ein Taschenbuch für 7,99 EUR, sagen wir, ein Klassiker, hat sich über Jahre stetig verkauft (Schullektüre). Der Autor ist jetzt seit 70 Jahren tot. Was passiert? Sein Werk wird gemeinfrei, jeder darf es nun verlegen. Was macht also sein bisheriger Verlag, während Fremdverlage händereibend eine neue Taschenbuch-Ausgabe vorbereiten? Er zieht in den Kampf. Sein Schwert ist der Preis und der beträgt jetzt nur noch 5,00 EUR. Große Aufkleber auf den Exemplaren der Restauflage weisen darauf hin: Sonderausgabe!
Siehe auch → Tiernahrung

Kollationieren
»In der Buchbinderei bezeichnet Kollationieren das Überprüfen der zusammengetragenen, aber noch nicht gebundenen Bogen oder Blätter auf Vollständigkeit und richtige Reihenfolge. Dazu gibt es je nach Art des Buches und seiner Seitenkennzeichnung unterschiedliche Vorgehensweisen.« (Quelle: Wikipedia)
KiWi-Lektorin Sandra Heinrici zum Beispiel breitet sich gerne im Konferenzraum aus. Sie braucht Platz, nichts soll ihr entgehen. Kein Telefon klingelt, keine Mail macht ping. Hier ist sie ungestört. Wenn man einmal absieht von den halbstündlichen Besuchen neugieriger Kollegen (»Na, bist du am arbeiten?«, »DA ist aber jemand fleißig!«, »Ich mach ma‘ Foto für Facebook, ja?«)

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Leiche
Der Mörder ist immer der Setzer.
„Ein Setzer hat eine Leiche gemacht, wenn er ein Wort oder eine ganze Wortfolge vergisst.“ („Der Verlagskaufmann“ von Reinhard Mundhenke, Societäts-Verlag, 1991)

„Eine Leiche gemacht“, hätte man das nicht weniger psycho ausdrücken können? Leiche machen, Hurenkind, was sind das eigentlich für Menschen – diese Setzer?

 

Mängelexemplare → Remittenden

Makulatur
Darüber darf auf keinen Fall gesprochen werden. Es ist das dunkelste Kapitel einer ganzen Branche. Wenn ihr dennoch mehr erfahren möchtet, wenn ihr also zu den Leuten gehören, die dort hingehen, wo es weh tut, dann lest halt diesen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Muss jeder selbst wissen.

Non-Books
Buchmenschen unterscheiden zwischen zwei Produkten auf der Welt: Büchern und Nicht-Büchern.
Treffen sich also zwei miteinander anbandelnde Buchmenschen zum gemeinsamen Kochabend, wird sich ihr Vorgeplänkel in etwa so anhören:
Hey, wir wollten doch heute kochen. Gehst du dann noch in den Nonbook-Laden und besorgst frische Non-Books für das Non-Book mit Soße?
Klar, mach ich. Und später gucken wir dann auf dem Non-Book-Gerät das Non-Book mit Johnny Depp. Wann schreibt DER eigentlich mal ein Buch?
Hast Du gerade Buch gesagt? Mir wird ganz ….
Und jetzt hast DU es gesagt! Sollen wir das mit dem Kochen nicht einfach lassen?
Oh, Du, g***e S**!
Küss mich!

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Preisbindung
In Deutschland haben Bücher feste Preise, das heißt, sie kosten an jedem Verkaufsort dasselbe. Außer bei Lübbe. Das war nur ein Scherz. Außer wenn Verlagsmitarbeiter und Buchhändler „Flohmarkt machen“. Das ist die Wahrheit. Seit 2002 ist die Preisbindung für Bücher in Deutschland gesetzlich verankert. Warum erklärt euch wie immer der Börsenverein.

 

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(10 Punkte!) → X → Ypsilon

 

Remittenden
„Als Remittenden (lat. remittere „zurückschicken“) werden meist Bücher, seltener auch andere Waren bezeichnet, die der Handel an den Verlag zurückschickt. Die Gründe dafür sind … mannigfaltig.
Bei remittierten Büchern, die lieferbar und neuwertig sind, bleibt die →Preisbindung erhalten.
Sind die Remittenden beschädigt, spricht man von Mängelexemplaren, die zu reduzierten Preisen verkauft werden dürfen. Scheinmängelexemplare umgehen die Preisbindung, indem Bücher ohne tatsächlichen Mangel als Mängelexemplare klassifiziert und verkauft werden.“ ( Quelle: Wikipedia)

Sarah Kuttner nutze diesen Trick – und wurde Bestellerautorin!

Mängelexemplar

 

Schmutztitel
Nicht alle Verlage haben so etwas im Programm. Manche bringen ganze Reihen raus im Heftchenformat. „Drei sind keiner zu viel“, heißen diese, „Harem der Lust“ oder „Entfesselte Leidenschaft“. Doch auch jedes Buch hat einen. Ein Schmutztitel ist das erste bedruckte Blatt eines Buches, auf dem der Titel und manchmal auch der Autor abgedruckt sind.

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Schmutztitel I

Schmutztitel

Schmutztitel II

 

Tiernahrung
Für alles auf der Welt gibt es 20% Preisnachlass. Für Tiernahrung nicht. Und für Leseratten- und Buchwurmfutter, für Bücher also, auch nicht. Und das ist gut so. Findet auch der sympathische Schrat aus dem Antiquariat.
Siehe auch → Preisbindung und → Kampfpreis

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Vorsatz
Es gibt gute und natürlich auch schlechte. Jedes Jahr an Silvester sitzen wir Verlagsleute zusammen und nehmen uns die des nächsten Jahres vor. Hier ein paar Beispiele sehr guter Vorsätze aus den letzten Jahren.

Vertreter → Außendienst

 

Weglasstitel
Ein Weglasstitel ist ein Buch, das ins Programm gerutscht ist, weil einige der Meinung waren, das könnte etwas werden, da liegt ein, riecht ihr das?, ein Trend in der Luft! Eventuell. Vielleicht.
Schließlich hat ein Verlag gerne mehrere Eisen im Feuer. Am Tag der Vertreterkonferenz → Außendienst stellt sich dann manchmal heraus: Wer soll das eigentlich lesen? Und auch der Buchhändler fragt sich beim Durchblättern des Vorschaukatalogs: Ja, wer?

Das sind Weglasstitel. Den Weglasstitel gibt es nicht. Er kommt einfach nicht vor. Und das will doch niemand. Man sollte ihn abschaffen, also den Begriff. Und lieber nur gute Bücher machen.

X
Es ist wie verhext, den meisten Autoren fehlt das Sieger-Gen. Ich bin immer wieder perplex, wenn ich sehe, wie ein oft auch komplexer Text auf den Einsatz des Buchstaben x verzichtet. Immerhin ist dieses Steinchen im Manuskript exakt 8 Punkte wert. In der richtigen Ecke fixiert sogar maximal das Dreifache!

 

Ypsilon
Beim Ypsilon gilt das Gleiche +2. Für jedes Y gibt sogar 10 Punkte! Klar, man kann die deutsche Syntax überwinden und sich im Lyrik-Olymp wähnen, aber irgendwann soll doch auch der Yen rollen. Das geht nur, wenn man auf Sieg spielt im deutschen Dichtkunst-Game, mit ordentlich Yaks auf der Yacht und Whisky im Pyjama.

 

 

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Philipp Rusch arbeitet in der Onlineredaktion von Kiepenheuer & Witsch. Flora und Fauna sind für ihn mehr als ein Hobby.

Am Tag nach der LBC liest Philipp Rusch zusammen mit Friederike Achilles auf dem Birlikte-Festival (ebenfalls in Köln-Mülheim) aus „Die beste Entscheidung unseres Lebens – Wie wir einfach loszogen und um die halbe Welt reisten“. 17.00 – 17.30, Hinterhof des Friseursalons Özcan , Keupstraße 29